Wo die Satire endet und die Hetze beginnt...
Erklärung des Bundesverbands Arbeiterfotografie zu den Anschlägen in Paris und ihren Folgen, 28.01.2015

Die Anschläge in Paris am 07.01.2015 haben bei uns große Betroffenheit ausgelöst. Unsere Anteilnahme gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Wir verurteilen jegliche Form von Mord und Terror! Dafür gibt es keinerlei Berechtigung!

Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gelten aber auch all denjenigen, die unter den politischen Folgen dieser Anschläge vorgeblicher rachedurstiger Islamisten zu leiden haben, vor allem den Flüchtlingen und Asylbewerber/innen, die aus Angst um ihr Leben ihre Heimat verlassen mussten, die nun mit noch mehr Ressentiments und Gewalt in den westlichen, vor allem europäischen Ländern rechnen müssen, Gewalt, die nach den Anschlägen durch das Anheizen rassistischer und fremdenfeindlicher Einstellungen und Tendenzen von fehlgeleiteten Teilen der Bevölkerungen, aber auch von den Legislativen und Exekutiven, also von den Regierungen der Länder, bereits ausgeht.

"Paris" ist Wasser auf die Mühlen auch der bundesdeutschen Regierung zur weiteren Verschärfung des Asylrechts und der Abschiebepraxis, zur Einschränkung der Reisefreiheit, Verschärfung der Grenzkontrollen und der Ausweitung der Datenüberwachung und -speicherung, also zur weiteren Einschränkung demokratischer Rechte und Freiheiten. Eine Bundesregierung, die Soldat/innen in völkerrechtswidrige Kriege schickt und terroristische, die Menschenrechte mit Füßen tretende Regierungen und Organisationen mit Waffen beliefert – und gerade in solchen Kriegs- und Krisengebieten waren viele der Flüchtlinge, die sich nach Westeuropa retten konnten, beheimatet – muss sich die Frage gefallen lassen, welches demagogische Schauspiel denn hier geboten wird.

Viele bürgerliche Medien heizen mit sensationsgeilen, Auflagen und Einschaltquoten in die Höhe treibenden Betroffenheitsberichten und -bildern von Blutbädern, entsetzten Menschen mit Todesfurcht, dramatischen Fluchten und Rettungsaktionen ein Klima von Bedrohung, Angst und Hilflosigkeit weiter an, und die – suggerierte – Rettung wird gleich live und in Farbe mitgeliefert: schwer bewaffnete, martialisch anmutende Polizei- und Antiterroreinheiten im Einsatz, die vor den Augen der Weltöffentlichkeit das so genannte Böse eliminieren und uns somit vor der vermeintlichen Bedrohung unsere westlichen Werte durch "Islamisten" "schützen". Die Anwesenheit bewaffneter "Sicherheitskräfte" auf öffentlichen Plätzen soll so als Notwendigkeit und "Schutzmaßnahme" in die Köpfe getragen, um Akzeptanz einer Militarisierung und Überwachung der Gesellschaft geworben werden.

Wer die Täter sind, ist nicht geklärt. Dass die Spuren (der "verlorene" Personalausweis) auf die tatsächlichen Täter hinweisen, ist alles andere als wahrscheinlich. Vieles deutet darauf hin, dass der Terroranschlag für politische Ziele der französischen Regierung respektive des "Westens" nicht nur instrumentalisiert sondern auch inszeniert wurde, es sich also – wie z.B. Paul Craig Roberts oder der Schweizer Historiker Daniele Ganser es als wahrscheinlich sehen – um eine von Geheimdiensten durchgeführte False-Flag-Operation handelt.

Frankreich ist in EU-Europa das Land mit dem höchsten politisch rechtslastigen Anteil in der Bevölkerung. Fremdenhass und Rassismus sind hier allgegenwärtig. Auch in den Medien spiegelt sich diese Rechtstendenz wider: Dass die von dem Magazin "Charlie Hebdo" veröffentlichten Mohammed-Karikaturen alle Muslime im Kern treffen würden, muss auch den Redakteur/innen des "Charlie" zur Kenntnis gereicht sein – dass sie dennoch publiziert wurden, zeugt bestenfalls von Ignoranz und Dummheit, schlimmstenfalls von bewusster Provokation. Ist alles Satire, was sich Satire nennt? Nein! „Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine", schreibt Tucholsky. Hetze zur Erzeugung von Feindbildern ist keine Satire! Sie verletzt das Grundrecht auf die Würde des Menschen, auf Respekt und Achtung vor anderen Sitten und Gebräuchen, vor fremden Kulturen und Glaubensrichtungen. Rassistische Hetze im Stürmer-Stil ist keine Satire. Auch Mord und Terror dürfen nicht dazu verleiten, sich damit solidarisch zu erklären. In einem von Politik und Medien geschürten Klima der Feindbilder und der Angst vor dem Islam ist es gesellschaftsfähig geworden, eine Weltreligion und ihre Anhänger auf das Übelste zu verunglimpfen, gleichzeitig aber jegliche Kritik beispielsweise an der Apartheidpolitik des israelischen Regimes als Antisemitismus zu brandmarken.

Mit der jetzt viel beschworenen Pressefreiheit hat dies alles nichts zu tun. Dazu zählt auch das mit gekonnt inszenierten Bildern aufgetischte Lügenmärchen, eine große Anzahl westlicher Regierungsoberhäupter habe Arm in Arm den eine Million Teilnehmer/innen starken Trauermarsch in Paris nach dem Attentat angeführt, während diese Bilder in einer von Sicherheitskräften abgeriegelten Nebenstrecke konstruiert wurden. Diese Bilder sollen uns Glauben machen, es gäbe eine für alle gleiche Betroffenheit, gemeinsame Interessen, die Regierungen setzten sich mit ihren Völkern gemeinsam für die Erhaltung der Werte der Demokratie ein – während sie gleichzeitig keine Mittel und Wege scheuen, eben diese Werte zu unterminieren und der ethisch-moralischen Verkommenheit der neoliberalen Interessen von Politik und Wirtschaft auszuliefern. Mit objektiver Berichterstattung hat dies alles nichts zu tun. "Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden", schrieb einmal Rosa Luxemburg. Sie wurde 1919 von Angehörigen deutscher Militärverbände ermordet. Die Andersdenkenden aber sind nicht diejenigen, die die Pressefreiheit einer bürgerlichen Demokratie dazu benutzen, Hass und Fremdenfeindlichkeit zu verbreiten, denn sie bekämpfen diese Freiheiten Andersdenkender mit allen Mitteln.

Als Bundesverband Arbeiterfotografie verurteilen wir die politische Leichenfledderei durch Merkel und Co. und durch die Medien. Wenn wir "Fotografie als Waffe" verstehen, meinen wir Bilder, die der Aufklärung dienen, Bilder gegen den Mainstream, für Menschenrechte und Völkerverständigung, gegen Intoleranz und Fremdenhass. Das gilt auch für die Texte, die wir schreiben, ganz im Sinne von Kurt Tucholsky: "Die Sprache ist eine Waffe, haltet sie scharf!" Waffen, gegen deren Missbrauch wir uns einsetzen, die wir auch und gerade jetzt in Zeiten zunehmender faschistoider und reaktionärer Verblendung und ethischer Werteverluste zum Einsatz bringen. Das ist unsere Aufgabe, darin liegt unsere Verantwortung. (af/gw)